Ich habe ein wenig den Faden verloren, weiß nicht mehr so recht, was ich zuletzt im Blog geschrieben habe. Klammere jetzt im Boot, tippe mich auf meiner Tastatur gegen drei oder vielleicht vier Meter hohe Wellen voran, versuche mich trotz des Windgesäusels zu konzentrieren. Soviel ist wieder passiert inzwischen – ganz bestimmt. Und so oft wollte ich auch darüber bloggen – ganz gewiss. Nun ja. Man erwartet vielleicht, dass Menschen auf See, in völliger Einsamkeit, schrecklich kreativ werden, ganze Blogbibeln im Schlaf verfassen. Sofern sie überhaupt schlafen können in ihrer Furcht, nicht doch noch eine Gegebenheit nicht mit den Lesern auf Facebook geteilt zu haben, ETWAS VERGESSEN ZU HABEN.
Dem ist nicht so. Nicht mehr. Der Kopf wird ständig von Silberkugeln durchlöchert, nein, kreativ sein ist anders, nicht blau. Hier passiert etwas anderes mit mir. Also, bevor ich lange herum eiere: Ich verliere den Bezug zur Tastatur, zu einem Publikum, dass ich nicht sehen kann. Oh je … wie kann man nur so was sagen! Ich möchte euch gern vor mir haben, in eure Augen schauen, euch anschreien mit meinen Gefühlen und euch berauschen mit Bildern und Filmen in Leinwandgröße. Oder besser noch! Würde euch gern ergreifen, euch aus euren Betten herauszerren heute Nacht und in dieses Boot stopfen. Euch alle! Alle fünf Leser dieses Blogs! Na ja, vier, einer kann nicht schwimmen weiß ich. Aber dieses Tippen auf einer Tastatur… xyz. Sogar die Regentropfen, die jetzt auf mein Boot herab segeln, erzählen mehr von dieser Reise als jedwede Kombination von Buchstaben jedweden Alphabetes. Und wenn in Nerudas Büchern der Regen eben in zauberhaften Bindfäden fällt, er würde trotzdem jede Tinte aus dem Papier seiner Seiten waschen, in einer einzigen Nacht.
Es ist …. ja, es ist, als ob man versucht die Unglaublichkeit des Erlebens mit einem Skalpell zu sezieren, nur um sie in kleinen Portionen dann besser in den Ofen werfen zu können. Der Ofen ist die Virtualität, die ich hier gerade zu befeuern versucht bin. Mit einem Ofenrohr, das so schmal ist, dass ich dann auch noch die wenigen bunten Bilder mit der Axt kaputt-komprimieren muss, um sie da hindurch zu bekommen. Am Ende hustet der Schornstein verrußte Pixelbilder in den Twitter-Himmel, und hier und da ne 140-Zeichen Sprechbase dran mit meinem Senf drin. So auch heute … Walpixel. Ich verabschiede mich von zwei Minkewalen, mit denen ich Stunden verbracht habe, die ich sogar wieder berühren konnte. Ich winke ihnen nach, meinen Winke-Minkewalen, doch halte mich dann gut fest, wo sie ein letztes mal ganze Wellenberge ausfüllen und mit einen Affenzahn ÜBER MIR nur einen Meter seitlich am Boot vorbei rauschen. Dann abbremsen, sich umdrehen, das Rostrum aus den Wellen schieben und mich kurz anschauen. Also würden sie mich fragen, wie ich’s denn fand … und der kleine Wal wollte dann sicher auch wissen, ob ich denn wenigstens ein wenig gezittert habe ob seiner Größe, die immer noch der meines Bootes entspricht. Ich würde es bejahen. Mutterwal würde lachen.
Ich verabschiede mich, schalte die Kameras aus und werde erst gar nicht versuchen diesen Moment ausführlich über dieses Blog-Medium zu transportieren. Diesmal nicht. Es wird nicht gelingen! Ihr würdet stauen, vielleicht, den Kopf schütteln, euch Bilder hinter die Stirn malen von einer Walmutter und ihrem Kind, die von einem Ruderboot fasziniert sind … aber ich interveniere und bestreike die Gefühlsautobahn! Es geht nicht mehr, ich kann aus Superlativen keine weiteren Superlative herauspressen. Ich bin auf beiden Seiten an meinen Grenzen der Unfassbarkeiten angekommen, im Schönen wie im Hässlichen, und ich denke es ist nun an Zeit, dieses Boot wieder in einen Hafen zu rudern. Ich kann nicht mehr. Werde sonst den Rest meines Lebens im Rauschzustand dahindämmern, alle Sicherungen im Kopf durchgeblasen.
Der Regen wird stärker, die Tropfen hämmern nun auf meine Kabine, Neruda ist wohl angesäuert jetzt und schickt Nägel statt Bindfäden. Die Wellen schieben heftiger, bestimmter. Ich muss hoch. Ein weiteres Unwetter dass das Salz des Tages vom Boot waschen will. Der Wind ermahnt mich, erinnert mich ständig daran dass ich wachsam bleiben muss. Noch ein wenig. Vielleicht noch 19 Tage, könnte reichen, dann setze ich nach Monaten wieder einen Fuss auf die Erde. Verlasse diesen unfassbar großen Ozean für eine Weile, bin dann selbst ein Regentropfen der über den Himmel erstmal wieder auf die Erde fallen will, um im Grundwasser, zwischen den Wurzeln alter Bäume, sich wieder zu sammeln. Dann regne ich wieder auf euch hinab … mit Blitz und Donner!
Noch knapp 800 Seemeilen. Ernest Shackleton hat diese Distanz auf einer Arschbacke abgessen, als er von Elephant-Island aufbrach um seine Crew der Endurance Expedition zu retten. Also: Kinderspiel! Bin fast da! Die Schildkrötenkollisionen nehmen wieder zu 🙂