Pferden kann man offensichtlich problemlos beibringen, sich auf Kommando auf eine Seite fallen zu lassen. Nur auf eine einzige Seite allerdings. Ist das Pferd erst einmal ein linksfallendes Tier, so ist dies auch nicht mehr zu ändern – worin im Übrigen auch der Grund zu suchen ist, weshalb für Filme mit epischen Reiterschlachten, immer die gleiche Anzahl links- wie rechtsfallende Tiere gecastet werden. Sagt man. Bei meinem Ruderboot funktioniert dies jedenfalls leider nicht, es „fällt“ und halst immer auf die andere, die falsche Seite … ganz gleich welche das ist, ganz gleich was ich anstelle.
Die Herausforderung bei starkem Wind (aktuell Böen bis Windstärke 8, im Schnitt 6 Meter Wellen und auch noch hochchaotische, opulente Kreuzsee) besteht darin, den Winkel zum Wind so klein zu halten, dass das Boot in keinem Falle quer in den Wellen zum liegen kommt und kentert. Das Dilemma: Meilenrausch! Ein etwas größerer Winkel bringt das Boot zügiger voran. Schwieriger Spagat und Eiertanz. Wo ich nicht mehr rudere, bleibt mir nur das Steuerruder, Treibanker und die Gewichtstrimmung übrig, um diesen Winkel festzulegen.
Ich bevorzuge 30° bis riskante 45° Grad zum Wind, dieser an Backbord (also Links!). Da die Wellen aber nicht einer Parade folgen, läuft im Moment alles etwas aus dem Ruder. Wenn nicht achtsam genug, liegt schnell mal das Boot quer. Und die nächste Welle nutzt glatt die Chance: Einschlag, volle Breitseite! Wie das ausschaut seht ihr ja auf den neuen Fotos. Das Deck, die Bilge läuft voll. Hunderte von Litern an Wasser, die nur zum Teil wieder sofort herausschwappen wo dass Boot nun komplett auf der Seite (und darüber) liegt und wieder hochkatapultiert wird. Pumpen also, und warten das das Deck freiläuft. Sofern man sich vom Freiflug in der Kabine wieder erholt hat. Wenn ich ganz viel Glück habe, halst das Boot auch noch komplett dabei, liegt also mit der anderen Seite am Wind. Das zu korrigieren, ganz toll!
Es bleiben meist 10 bis 20 Sekunden bis der nächste höhere Schaumkam angerollt kommt. Licht an, Luke auf, Pumpe an. Luke zu. EINSCHLAG! Luke auf, Leine anlegen, raus auf Deck. Luke zu. EINSCHLAG! In die noch vollen Bilge kriechen, Steuerleinen fieren, halsen, Regen und Gischt aus dem Gesicht wischen und das Ruder neu trimmen. EINSCHLAG!EINSCHLAG!EINSCHLAG!EINSCHLAG! … Luke auf, ableinen, reinspringen. Luke zu. Abtropfen. FREIFLUG!
So, oder so ähnlich. Und trotzdem, NEIN! Ich werfe keinen großen Treibanker. Pustekuchen. Kämpfe um jeden Meter.
Ich muss mindestens nachts alle 60 Minuten raus um das Ruder zu verstellen. Mindestens. Werde aber auch in den kurzen Ruhepausen noch ständig vom Seeschlag hochgerissen. Kopf am Heck – Einschlag meist am Heck. Beides Zusammen = Kopfschmerzen. Ich bin mit Beinen, Knien, Armen, Ellenbogen irgendwie zwischen den Netzen, Kissen und Seesäcken festgeklemmt, versuche halbwegs Schlaf zu finden auf der Achterbahn. Nach über vier Wochen sehen meine Knie und Ellenbogen entsprechend aus.
Das absolute Highlight nachts ist aber ein ganz anderes: Die Toilette Der Eimer an Deck. Draußen. Und meine Nieren arbeiten bei dem ganzen Eiweiss in der Nahrung, bei den Unmengen an Wasser die ich trinke auf Hochtouren. Einfach traumhaft. Bei 6 Meter hoher See – man ahnt nur so ungefähr was da auf einen vom Horizont her zurauscht und zurollt. Das Boot rollt ebenfalls und stampft. Mit der Eimershow bekäme ich eine Clownsnummer beim Cirque du Soleil. Zweifellos. Aber wartet erst bis ihr seht wie ich im Moment wieder diesen Blogeintrag hier tippe *g
Ja, also, alles wie bisher. Keine wirklichen Probleme. Das Boot ist längst nicht am Limit, wartet nach wie vor auf die komplette Kenternummer. Fast hatten wirs ja schon ein paarmal. Ich verzichte gern. Auch ich bin fit und frohen Mutes. Jede Kleinigkeit wird aktuell zur Sensation und ultimativen Herausforderung. Aber um so größer ist der Stolz, wo am Ende man für weitere Minuten auf den Schlafsack fallen darf.
So, genug für heute. Wirklich nicht so einfach zu schreiben im Moment. Ich wünsche euch nun frohes neues Jahr! Macht was draus! Geht mal rudern … toller Sport 🙂