Der Ozean vom Schnee bedeckt, die Weihnachtskerzen angesteckt. Die Plätzchen längst im Ofenrohr – bereite nun den Möwenbraten vor … Viele Grüße wieder mal von der schwimmenden Weihnachtsinsel Bifröst. Hoffe ihr bleibt in den kommenden Tagen bei Sinnen und verbringt die Zeit mit den Menschen, die euch wirklich am Herzen liegen. Ich wünsche euch und euren Familien ein frohes Fest! So, und jetzt schliessen wir noch alle gemeinsam die Augen und wünschen uns Wind aus Nordost. Ok? Nordost! Los gehts! …
Sehr schön. Sollte ich den jetzt nicht bekommen, müsst ihr auch eure Geschenke wieder zurückgeben … da kenne ich nichts und den Weihnachtsmann persönlich! Ok, haben wir das auch durch. Jetzt kann das neue Jahr kommen.
Danke für die vielen Emails, die über das Formular auf der Positionsseite geschickt wurden. Danke für die lieben Wünsche und Gedanken. Keine Sorge: ich bin nicht allein! Seit zwei Tagen besucht mich ein Makohai nachts und schleift mein Antifouling am Rumpf ab. Mal schauen, vielleicht kommt er ja morgen zum Fest auch wieder. Dann lade ich ihn ein auf einen Snack. Vielleicht mag er ja auch die Outdoorfoodshop Pasta Bolognese oder die Schinkenwurst vom Wasgau. Teile gern!
Die Kabine ist nach wie vor nicht wirklich trocken. Kann bei dem Seegang einfach nicht länger durchlüften. Entsprechend verrichten Duftbäume nun ihr Werk. Bringt aber nicht wirklich viel. Es stinkt! Alles andere wäre eine Lüge und animiert nur Kinder zum Nachmachen. Hier müsste alles mal raus an Deck für ein paar Stunden. Aber bei 20 Knoten Wind wird das nach wie vor nichts. Nein, das ist kein Beauty-Urlaub hier … und wenn, würde ich sofort das Hotel wechseln.
Aber ein Ruderboot ist ein Ruderboot … ist ein Ruderboot. Und mal zwei Wochen nicht die Haare waschen zu können ist auch irgendwo eine Art neue Erfahrung *lacht*. Alles egal hier. Und die Haie mögen mich sicher auch ohne Schminke und mit grauen Haaren.
Also, wie fühle ich mich nach einem Monat völlig allein auf See? Hmmm … schwierig zu beanworten. Es ist extrem ernüchternd, die Anstrengung, die endlosen Tage vor und hinter mir. Und trotzdem, es ist das Beste was ich jetzt erleben könnte. Viele Menschen in ähnlichen Situationen schrieben oft: „Egal wer ich bisher war, nach diesem Erlebnis bin ich ein anderen Mensch“. Nun ja, weiß nicht. Will ja gar kein anderen Mensch werden – von daher sind meine Erwartungen vielleicht andere. Ich verändere mich, nehme mich mehr wahr. Nehme überhaupt mehr wahr. Reinige meinen Kopf vom Müll, schärfe meine Träume und finde Fragen. Ja, Fragen. Eigentlich erwartete ich viele Antworten hier zu finden. Aber es ist vielmehr so, als ob die alten Fragen dazu plötzlich völlig belanglos geworden sind, und die Beschäftigung mit ihnen als Verschwendung des kostenbaren Momentes erscheint. Es sind neue, unerwartete Fragen die die Wellen da an mich herantragen. Keine unsinnigen Sinnfragen oder so. Brüte auch nicht über Schopenhauers Solipsismus oder suche meine Position und meinen Weg in der Unschärfe des so Seins. Nein, ganz konkrete Fragen. Und ich meine auch das viele dieser Fragen eher eine Suchaktion für den Rest meines Lebens triggern, als dass sich hier mal ebenso schnell konkrete Antworten darauf finden ließen. Also, ich bin nach wie vor der selbe Mensch der in Portugal in dieses Ruderboot gestiegen ist – nur stelle ich nun andere Fragen.
War es das wert?
Ich glaube ich hätte eine längere Zeit damit verschwendet Antworten auf unsinnige Fragen zu suchen, als mich mal ein paar Monate auszuklinken und über einen Ozean zu rudern. Und überhaupt: Ich habe noch so viele Tage vor mir. Wer weiß was ich noch finde. Womöglich sehe ich in zwei Monaten alles ganzzzz anders. Es ist kein Spaß. Es ist anstrengend, taff. Und mein Gott, klar habe ich ab und zu eine diffuse Angst im Magen die ich nicht aufkommen lassen darf. Es schläft sich halt schlecht 20cm neben einem kleinen 2 Meter Hai, oder neben einem piepsenden Radaralarm ohne Sicht auf andere Boote. Es ist ein eindringlicher Moment einem dicken Klotz Treibholz hinterherzustarren und sich zu erinnern, dass ganze Frachtcontainer hier herumtreiben könnten … so Sachen eben, die aufkommen wenn Phantasie zuviel Raum bekommt. Und es gibt eben auch traumhafte Momente hier, unvergessliche … aber ich glaube am Ende ist es dieser diffuse Alltag dazwischen, der dieses Abenteuer so besonders macht.
Maurice und Maralyn Baily treiben als Schiffbrüchige auf einem Floß 117 Tage auf dem Pazifik. 117 Tage, Kampf ums Überleben. Kaum Wasser, Nahrung, Haie, Stürme … Als am 117ten Tag Maralyn ein Schiff erblickt, aufsteht und ihm wie verrückt zuwinkt, sagt Maurice: „Es soll wegbleiben […] das ist jetzt unsere Welt, das Meer, die Vögel, die Fische, die Schildkröten“
Wow, einfach nur wow! Das habe ich heute gelesen. Also, noch 87 Tage und ich bin genausolange auf See 🙂 Packen wir’s an!
Anderes: Bei dem Vogel der mich täglich besucht handelt es sich um eine Sturmschwalbe und nicht um einen Sturmtaucher. (Storm Petrel). Das der Vollständigkeit halber. UND: Bitte nicht verzagen wenn in Facebook keine Freundesrequests beantwortet werden können. Alle meine Einträge sind öffentlich und können folglich auch aboniert werden. Ergänzungen und weitere Infos gibt es bei OceanCare.org bzw. OceanCare via Facebook.