Es schließt sich etwas auf in mir: eine Tür, die viel größer ist als ich selbst. Wo ich bisher aus meinem Raum heraustrat, da setzte ich stets einen Fuß in einen dichten Gedankennebel hinein, der mich und die Welt in sich trug. Und so vernahm ich doch nichts von der Welt, als ihr Echo in meinem Kopf und meine Vorstellungen und Überzeugungen. Es geschah erst als ich im Leben stolperte und hart zu Boden fiel, da brach der Nebel für einen Augenblick auf, und eine Welt offenbarte sich mir, die mit keinem Gedanken vorstellbar war. In diesem Moment begriff ich, dass ich niemals wirklich frei war, ganz gleich wie frei sich die Gedanken wähnten. Meine Freiheit war eine Abhängigkeit vom Wollwollen der anderen, von Meinungen, Dingen und glücklichen Umständen. Das war keine Freiheit! Und erst recht war das keine wirkliche Erfüllung. Wie aus einer Zwiebel begann ich mich aus den Gedanken herauszuschälen. Und je kleiner ich dabei wurde, umso weiter wuchs ich über mich hinaus. Je mehr ich verlor, desto mehr gewann ich. Das waren überhaupt nicht meine Gedanken; sie wurden mir als Kind in den Kopf gepflanzt, und fortan erklärten sie mir, wer ich bin und was die Welt ist. Nichts wussten sie! An diesen Gedanken ging alles Unvorstellbare zugrunde. Und alles Vorstellbare war nur das Verließ, das mich vom ewigen Wunder der Schöpfung wegsperrte … der Kerker der Vergangenheit und Zukunft, der Ursachen und der Wirkungen, der Gründe und der Ziele, in den ich aus dem bedingungslosen Augenblick verschleppt wurde. Darin wuchs ich auf. Eines Morgens aber öffnete ich die Tür in diesem dunklen Gemäuer, und da trat ich in völliges Schweigen hinaus, in eine kristallklare Welt hinter allen Gedanken, jenseits von richtig und falsch – und damit trat ich wieder ins Namenlose und Bedingungslose ein, – ich trat in Gott ein und Gott trat in mich ein. Und wer das nicht erfahren hat, – und mag er auch alles andere erfahren, wissen und besitzen! -, wer das nicht spürt, der hat sich den Gedanken vollständig unterworfen. Der ist zwar „vernünftig“, aber der ist beinnahe verloren. Der hat aus einem Diener einen Meister gemacht, nun ist er ihm hörig und lebt in seiner unwirklichen und vergänglichen Welt. Und natürlich wird der Meister es besser wissen als ich – bin ich doch nur eine närrische Poetin, die nur mehr weiß, dass sie nichts weiß, und dass es irgendwann zu spät ist. Behält der Meister auch das letzte Wort, so wird er auch der letzte Richter sein … und dann der Henker. — jj. #kaffeegedanken