Die romantische Liebe ist erst einmal lediglich eine Illusion, die nur über einen gewissen Zeitraum aufrecht erhalten werden kann. Sie ist eine der Wurzeln der modernen und unersättlichen Kultur geworden, eine Vorstellung nur, die oft aber schon mit der Muttermilch aufgesogen wurde; die andere Menschen schon früh als Erwartung in uns projiziert haben. Mögen wir ihnen Sinn geben und sie erfüllen und fühlen lassen! Später aßen wir im Kino Popcorn zur diesen Storys und begannen selbst immer mehr zu träumen… von Prinzen, Prinzessinnen, Helden und Geschlechter-Stereotypen. Das ist der Stoff aus dem unsere Persönlichkeit im Webrahmen der Gesellschaft und Kultur gewoben wurde.
Die Externalisierung unserer Gefühle in Form von vorgestellten Wünschen, Träumen und Sehnsüchten erzeugt in uns selbst gleichsam ein Loch, eine vermeintliche Leere, ein Mangelgefühl. Beides bedingt sich gegenseitig: die Fülle die wir im Außen suchen, erzeugt eine innere Leere, – wir hängen dann an einer neuen, aber unsichtbaren Nabelschnur. Das ganze „System“ funktioniert übrigens auf diese Weise, indem Erfüllung im Außen versprochen wird, bis wir uns dann veräußerlichen und damit gleichsam ein Mangelgefühl im Innersten erleben. Ein Teufelskreis, der uns immer weiter von uns selbst und unserer Fülle entfernt. Das Ego springt dann hier gern ein und erzählt uns, wer wir sind, wer wir nicht sind, wer wir waren und wer wir sein wollen. Und dann sind wir im Kopf unterwegs und jagen ?unsere? Ziele, die Erfüllung und Glück versprechen. Je mehr wir in veränderten äußeren Umständen die Erfüllung suchen, umso abhängiger werden wir, und umso extremer pendeln wir zwischen Erfüllung und Enttäuschung. Das macht sehr müde und krank auf Dauer. Spätestes das ist dann für viele zwangsläufig ein Weckruf. Komplettes Abstumpfen wäre eine Möglichkeit weiterzuträumen.
Jedes Gefühl nach dessen Erfüllung man sich sehnt, ist immer ins uns, – die Fülle ist in uns! – sonst könnten wir es nicht ersehnen und nach außen auf Menschen oder Objekte projizieren. Ja, und dann treffen sich vielleicht zwei Menschen, es passt von den Vorstellungen und den biologischen Faktoren, – Dopamin und Serotonin fahren Achterbahn, – und dann projizieren sie sich ineinander, so wie ein Doppelspiegel. Natürlich fühlt sich das wie Erfüllung an erstmal. Zudem sind wir dann gegenwärtig und im Vollrausch der Neurotransmitter und Hormone, und spüren uns selbst. Und damit auch den anderen. Doch die Spiegel bekommen nach einer Weile Risse, die Abbilder werden verzerrt, und der Körper fährt allerspätestens nach zwei bis drei Jahren herunter, bevor er ausbrennt und wir komplett im Sexualhormonnebel verblöden. Verlustangst ist nur ein Symptom dieser Abhängigkeit übrigens. Und dann?
Das Wirkliche passt dann selten noch wirklich zu unseren Vorstellungen, und dann verändern sie sich auch ständig, bei all den anderen verlockenden Möglichkeiten und neuen romantischen oder intensiven Geschichten, die wir hören und lesen und uns zur Fantasie machen. Dann versuchen wir die Risse zu kitten und den anderen wieder zurechtzubiegen. Dann geht der Zirkus los! Bis man entweder „zumacht“ und sich eilig trennt, oder ewig mit der Trennung herumeiert, oder sich eben doch damit abfindet, wie es ist, weil so ein Drama noch besser scheint, und weniger Angst macht, als wieder ganz allein und ungeliebt zu sein. Und vor allem: als diese Leere erstmal wieder spüren zu müssen; bis sich was anderes als Ersatz findet. Ohne Trennung wird es dann gähnend langweilig in solchen Beziehungen oder alles muss eben immer extremer werden. Dann beginnen wir zu idealisieren und zu fantasieren, was wir uns mit ständiger Entwertung und Enttäuschung an anderer Stelle erkaufen. Alles was nicht wirkliche Fülle ist, kommt immer im Doppelpack mit seinem Gegenpol.
Bedingungslose und unabhängige Liebe ist aus einem Gefühl des Mangels heraus unmöglich. Erst wo der Mensch dieses Gefühl in sich selbst reaktiviert, aufhört zu spiegeln und zu projizieren, entsteht Liebe aus der Fülle heraus. Es ist kein Handel mehr, keine Abhängigkeit, frei, ohne Angst und tief wie der Ozean. Bedingungslose Liebe ist kein Lautes Geschrei, kein Ideal, kein Traum, kein Schein, keine Story, – sie ist sanft, aber gewaltig!, sie ist weit und tief, und sie ist alles, was wirklich IST und alles, was wir wirklich SIND. Sie ist die Fülle, die wir sind, wenn wir wirklich wieder gegenwärtig und ganz bei uns bleiben, – uns eben nicht mit den Gedanken in den äußeren Umständen verlieren und verzetteln, oder im Gestern oder im Morgen. Sie ist Tugend, sie ist Hingabe, sie ist ein Fließen. Hier. Jetzt. Ganz. Und erst dann können wir wirklich auch bei anderen sein, – sie in ihrer Fülle lassen, erfahren und lieben. Und erst dann offenbart sich uns wieder ganz das Unvorstellbare, und damit das unermessliche Wunder, das allem innewohnt. Es passt nicht in alle Köpfe und Filme dieser Welt! Dafür ist es zu groß.
Liebe ist der Urzustand. Menschen sind die einzigen, die kaum noch darin leben. Ego und Gedanken bedeuten Trennung; das ist die Natur aller Gedanken. Liebe IST hinter diesen Vorstellungen und Projektionen, das Unvorstellbare. Menschen leben wie auf einer Landkarte, die sie über die Wirklichkeit ausgerollt haben. Und darin suchen sie auch die Liebe und die Liebe zu sich selbst. Irrsinn! Welcome to the Matrix, it’s real! Der Film basiert übrigens auf einem Buch des franz. Philosophen Jean Baudrillard. Es heißt: „Simulacra and Simulation“. Sehr wertvolle Lektüre zu diesem Thema übrigens. Es geht um die Realität und um eine Hyperrealität, die wir per Gedankenkraft erschaffen. Liebe ist einfach real, wir leben aber längst im Hyperrealen. „Mara“ würden die Buddhisten dazu sagen; ich mag gern das Wort „Theater“ …
Das Hyperreale scheint so hell und laut, dass es längst wirklicher als die Wirklichkeit scheint. Dem ist aber nicht ansatzweise so. Das ist der Traum, aus dem es zu erwachen gilt. Der Weg ist nicht einfach und bedingt große Ent-Täuschungen, das Ende dieser Täuschungen eben. Leider haben Menschen auch diese Karte über sich selbst gestülpt bekommen. Sie muss weg! Erst dann verstehst man wirklich, – erkennt sich und die wahre Natur der Liebe und der Welt wieder.
Die Landkarte der Vorstellungen könnte man auch als Netz begreifen. Menschen zählen eben die Maschen jetzt und benennen die Knoten, und dann denken sie, DAS wäre die Wirklichkeit. Und wehe du bist zwei Maschen zu breit und kennst zehn Maschen zu wenig. Nein, du bist nicht was du denkst … Liebe ist nicht was du denkst. Und schön und richtig ist nicht zwangsläufig das, was die richtige Maschenzahl hat.
Unser Verliebtsein schüttet übrigens die gleichen Neurotransmitter aus, im gleichen Verhältnis, wie eine Zwangserkrankung .. macht Sinn oder? Ist das Evolution oder Kultur. Was denkst du?! Das ist unser Geist, der längst über den Körper herrscht, der sich seine Reaktion zur Story strickt. Er hängt an Menschen, so wie er auch ständig nachschauen muss, ob der Ofen aus ist bei einer Zwangserkrankung. Der Körper reagiert zwangsläufig auf diesen Irrsinn, – das Ego assoziiert sich nur damit. Es ist nicht der Körper, der diesen Zwang mit seinen Neurotransmittern auslöst. Die Drüsen haben wenig Interesse an einem Ofen oder auch an Liebeskummer. Hat man das mal verstanden, begreift man auch, warum Depressionen nur in den seltensten Fällen durch einen ursächlichen Serotonin-Mangel bedingt sind. Diesen zu erhöhen zäumt das Pferd von hinten auf. Kann man machen, aber ändert nichts am Auslöser.
Natürlich idealisiert man seine Gefühle zu spektakulären körperlichen Reaktionen, und man idealisiert andere Menschen schon lange bevor man sie überhaupt kennt. Das nennt man schnell LIEBE. Das ist nicht mehr Evolution und Biologie … das sollte einleuchten, das ist Hirn! Fragt mal einen Eber, der nicht zum Schuss kam und wieder allein durch den Wald schlendern muss. Glaubst du der ist unglücklich? Nein, das bist du selbst höchstens, der sich in den Eber hineinspiegelt mit seinem Kopf. Das ist DEINE Story. Sie hat mit seiner wahren Natur nichts zu tun. Schlimm wird es dann, wenn der Mensch jetzt eingreift und dem armen Eber auch noch helfen will … genau so kam die ganze Welt aus der Bahn. Nur so als Bild. Also, was ist deine wahre Natur? Und was ist wohl die wahre Natur der Liebe? … ich werfe das mal so in den Raum!
Und das mag jetzt weh tun, aber Menschen suchen einen einzelnen Partner, den sie mehr lieben können als alle anderen, warum? Ist denn nicht jeder Mensch gleichsam liebenswert? Erfährt man sich aber dann im Spiegel nicht selbst auch als besonders einzigartig und wichtig?! So liebt das Ego, und es will überleben und seine Gedanken gern auch über gute Gene in weiteren Körpern fortpflanzen. Das ist alles auch legitim erstmal, keiner muss gleich Buddha werden in diesem Leben. Diese Erdenwelt funktioniert eben so, mit allen Vor- und Nachteilen des Entstehens, Vergehens und Verstehens. Aber wer das versteht, der hat alles Wesentliche verstanden und ist in allen Welten zuhause.