Als ich 1977 geboren wurde, sollte ich eigentlich Jan heißen, aber mein Vater setzte sich durch. Und so bekam ich einen Namen mit dem Charme eines Brotkastens, aus Blech, in Beige … ich hieß Frank. Bis heute verfolgt mich dieses Gespenst aus fünf Buchstaben durch meine Träume, lange habe ich mich geschämt, diesen Namen auch nur im engsten Kreise auszusprechen. Frank, der Leibhaftige! Denn, nach etwas über zwanzig Jahren hieß ich plötzlich Janice, ein Gericht hatte es abgesegnet. Die Geburtsurkunden wurden geändert, die Ausweise neu gedruckt und als Anerkennung für unzählige Operationen, Schulden und verlorene Freunde gab es bald auch einen Beschluss mit Stempel, mit dem alle Akten geschlossen wurden: WEIBLICH. Stattgegeben.
Nun wollte ich eigentlich aber nie Janice heißen, das wissen nur wenige. Knaller, oder!? Diese Möglichkeit, sich selbst einen neuen Namen zu geben hat man einmal in einhundert Leben, und ich ziele absichtlich daneben und schieß mir ins Knie! Meine blöde Angewohnheit, immer alles richtig machen zu wollen, war selten richtig für mich, und nie wirklich auch richtig für andere. Ich wollte nämlich Jasara heißen, **eigentlich**, aber dann trug eine Kollegin schon den Namen Sara und ich war ja eh schon Belastung und peinlich genug für alle in dieser Übergangszeit, und .. und .. und macht ja auch nichts, weil Janice war sowas wie die zweite oder dritte Wahl, und das hatte mir ja meist im Leben auch gereicht. Der zweite Platz. Bloß kein Ärger, bloß kein Stress, – vor allem nicht mit meinem fragilen Selbstbewusstsein, wo hinter jeder Ecke Verletzung und Entwertung warten konnten, weil in einer Konfrontation jemand genau dahin schlagen konnte, wo ich verwundbar war: Meine Identität! Und so bekam jeder was er braucht. Bis zum Ausverkauf der Seele. Ich schaute und dachte für jeden um fünf Ecken. Alles was die meisten sahen, war, dass ich viel zu viel dachte, und anstrengend wurde, wenn ich erschöpft war und nicht mehr wie gewohnt Energie, Zuwendung oder Zustimmung lieferte, und nicht mehr funktionierte. Was bleibt einem dann, als der Rückzug in sich selbst? Und was findet man dort?
Dieser Name Janice steht also auch für dieses Problem eben, „Immer alles richtig machen zu wollen“ – die Gefühle zu beschneiden, ständig Rücksicht zu nehmen und … Applaus bitte! … damit eigentlich eine Rolle zu leben eben, die ANDERE möglichst glücklich macht und wenig Probleme bereitet. Ich war jung, bald schlank und schön, nett und freundlich, und das bedeutete auch Weiblichkeit für mich dann eben: Mich anpassen, immer „hübsch“ aussehen, schminken, Wimpernklimmpern, wegducken und Rücksicht nehmen. Eine Rolle eben, in die man sich schnell immer tiefer reinrollt und am Ende das auch noch großartig findet.
Und dann traf ich sie, die Mutter aller Rollen: Und sie hasste meinen Namen und sie stand für alles, was ich bisher für Weiblichkeit hielt, was ich gern erfüllen wollte, um mich als Frau zu bestätigen. Ich liebte sie. Und es war eben doch alles nur Fake, die ganze Liebe, und sie war doch nur ein kleines verwirrtes Mädchen. Rollen lassen sich nämlich nicht lieben, Masken nicht berühren, Fassaden nicht durchschauen… Also suchte ich die Fenster, wie immer. Denn außerhalb des Theaters sind Rollen tot und ohne Leben.
Ich begann meinen Namen Janice nun zu hassen, auch weil sie ihn hasste; aber insgeheim, weil sie mich dafür hasste, wie ich **eigentlich** war. Lebendig noch, ein bisschen jedenfalls, und berührbar. Und da steht man dann mit einem verbrannten Namen, gedemütigt, zertreten, verbrannt, grundlos. Sie sagte: Sie mag meinen Namen nicht, weil ich ihn mir selbst ausgesucht hätte. Und verunstaltete ihn, und verborg ihn, wie sie mich versuchte damit zu verbiegen. Aber ich nahm eben Rücksicht vergab, sah die kaputte Seele hinter dieser Fassade, und unterdrücke meine Verletzungen und Gefühle. Eine echte Janice eben, passt doch! Stolz und an der Kette. Und ich hatte Recht, in der Konfrontation war ich nicht mal mehr eine Frau, weil ich keine Kinder kriegen kann und so, und ein Mann wäre ich auch keiner mehr, vor allem nicht an dieser Kette. Also wäre ich nichts. Natürlich riss meinem Löwen-Ego dann irgendwann auch der Faden und ich ging. Und ich blutete in mich und fütterte mein Ego noch größer damit. Und grübelte über die Seiten in uns Menschen.
Meine damals neue beste Freundin Emina nannte mich schon eine Weile Jeanne, was einer Abkürzung für Janice entspricht und natürlich ein großer Name ist, – ein Name einer Jeanne d’Arc zum Beispiel. Jeanne, Shan, ʒan … einfach nur Jeanne, ein Name fürs Ohr, weniger fürs Papier.
Ich begriff erstmal nicht wofür dieser Name steht, Eminas Geschichte aber steht in meinem zweiten Buch, „Freut euch nicht zu spät“. Vielleicht erinnert ihr euch daran, ich glaube die bitterste Geschichte über zwei Menschen und die Liebe, der ich mich jemals geöffnet habe. Ich habe die Geschichte erst heute wieder einem Menschen vorgelesen, und ich …. fuck! … ich heule schon wieder Rotz und Wasser auf die Tastatur jetzt grad. Sorry …
Und dennoch hatte ich damals nicht mal Ansatzweise begriffen, was Emina da für einen Verlust überlebt hat. Und Emina lachte wieder, MIT MIR, und sagte, ich und unsere Zeit bedeuten ihr viel. Dann nannte sie mich Jeanne.
Ich mochte das erst gar nicht, und ich glaube ich mochte es nicht, weil mir da zu viel Gefühl drin war, zu viel Wertschätzung, zu viel Liebe, zuviel Dankbarkeit. Und ich war Klugscheißerin in spiritueller Mission, wir einigten uns daher meist auf „Little Miss Buddha“, statt Jeanne oder Janice.
Ihr kennt meine Flucht vor dem Leben. Meine Odyssee über den Atlantik, meine Scheiße mit Drogen, Erleuchtungskonzepten und Menschen. Das war ne Reise! Am Ende lag ich da, ein Häufchen Dreck, das einfach nur seinem Herzen immer gefolgt war, aber mit dem Kopf alles richtig machen wollte, und am Ende den Preis dafür bezahlt hat, gar nichts mehr zu fühlen, und gar keinen Menschen mehr zu sehen, der es gut mit mir meinte. Mein Name war verbrannt, mein Vertrauen war verbrannt, ich war verbrannt. Mein Leben lief aus dem Ruder. Mir wurde alles egal – der kluge Kopf, das dumme Herz, der scheiß Körper, das letzte Geld, die Lust zu Schreiben, alle Menschen. Egal! Ich blieb im Feuer liegen, und da war nur noch Asche auf einmal.
Und dann sagte etwas Stopp! Es stand auf. Klopfte sich die Asche aus dem Lockenkopf. Und sah sich selbst an.
Es geht um mich erstmal! Und erst wenn ich mich wirklich sehe, dann sehe ich die anderen mit dem Herzen richtig, bin richtig berührt, kann richtig berühren und verletze niemanden für mein Glück. Und vor allem weiß ich dann anders Grenzen zu ziehen und mich zu schützen. Und könnte mit diesem Kopf und all meiner Erfahrung derweil ganz andere wundervolle Dinge vollbringen und mich viel weiter der Welt öffnen!
Ich machte meinen Frieden damit, nicht gesehen zu werden von den Falschen, und begann wieder die zu sehen, die mich immer im Herzen gesehen hatten. Aber vor allem erkannte ich mich selbst endlich wieder, und auch, dass ich nichts mehr gesehen hatte, geschweige denn gespürt. Und dann geschahen wieder Wunder, wie da immer Wunder geschahen, wenn ich wieder aufgestanden war nach einem Sturz über die Fallstricke meiner Vergangenheit.
Viele Menschen sagen: „Cool, sich den eigenen Namen ausdenken zu können, wie toll!“. Nun ja, es hat Vor- und Nachteile. Und eigentlich ist es auch etwas kostbares, einen Namen geschenkt zu bekommen von Eltern, die uns lieben, nicht wahr? Und da steige ich plötzlich aus der Asche und begreife, dass Emina mir diese Kurzform Jeanne aus ihrem Gefühl gegeben hat, so wie meine Mutter Jan aus ihrem Gefühl entschieden hat, so wie ich Jasara aus meinem Gefühl gewählt habe. Und da ist so viel JA! in all diesen Namen, und so viel Ja! war Janice auch noch. Aber eben auch so viel ..ice, Kälte, Starrheit schon, die sich in Niedlichkeit kleiden wollte, um zu gefallen und zu entzücken. So viel NEIN! zu mir selbst und dem Leben.
Und dann findest du wieder einen Menschen, der dich sieht und den du wieder sehen kannst. Und dann ist auf einmal alles anders. Und dann fragt er dich, wie du heißt …
Und ich antworte: Jeanne.
Und sie sagt: „Jeanne“ und das klingt in ihrem Mund plötzlich so groß und unbeschreiblich schön wie ihr eigener Name in meinem Ohr.Jeanne. Einfach nur Jeanne. Darin vereint sich alles. Meine geliebte Familie, in der ich geboren wurde, meine Familie, die ich in Freunden fand. Darin erklingt meine Kindheit als Junge, die ich überwinden wollte. Die eine Geschichte wurde, die ich lange verdrängen sollte. Die Frau ich dich gern sein wollte, und am Ende die Frau, die ich heute endlich bin. Und darin erklingst auch DU!
Mir hat mein ganzes Leben einen Namen gegeben, und meine Herzmenschen haben ihn mit mir zusammen wieder gefunden.
Und weil ich alles darf und es der Karriere schadet, und mir das schon seit zwei Büchern keine Priorität VOR Authentizität mehr hat, – und weil ich das Wesentliche wieder sehe, fühle und spüre, bringe ich das jetzt alles mal in totale Unordnung. Aber die, die mich sehen wollen und kennen … für die bin einfach nur noch Jeanne. Einfach nur noch Jeanne. Egal wer oder was ihr sein wollt, welche Rollen ihr ausfüllt, für wie klug, weit oder groß ihr euch haltet.. ICH BIN Jeanne.
Ich bin stolz auf mich und dankbar, und das HIER & JETZT, das verdiene ich auch! Und dass ich es überhaupt begreife als Wunder, das es ist, ist in sich selbst ein Wunder das ich vollbracht habe. Ich danke meinen Eltern, auch für den Brotkasten. Ich danke Emina und allen meinen engen Freunden und Wegbegleitern. Und ich Danke DIR, aus deren Mund ich meinen Namen nun am Liebsten höre.
** Unsere vermeintlich größten Schwächen, können unsere größten Stärken werden. **
Unsere vermeintlich größten Schwächen, können unsere größten Stärken werden.
– Jeanne