Das Urteil

Die meisten Menschen haben keine Ahnung, wer sie selber sind, was kümmert es also, für wen sie dich halten. Machen sie dich klein, können sie sich größer fühlen – halten sie dich für dumm, fühlen sie sich klug – verurteilen sie deine Erscheinung oder dein Verhalten, können sie im Kontrast dazu leuchten. Das ist dann auch schon ihre ganze Persönlichkeit, sie haben keine ohne all die anderen Menschen! Und so gilt am Ende leider auch: „So wie du richtest, wirst du gerichtet. [Matth. 7.1]“ … jeden Maßstab den man an andere anlegt, wird der Maßstab, an dem man sich fortan selbst messen lassen muss. Bei jedem menschlichen Urteil kommt mit dem Richtigen gleichsam auch das Falsche zur Welt – mit dem Schönen das Hässliche. Und beides wiegt dann schwer im Herzen jedes Richters. Mit nichts sollte man folglich sparsamer sein in dieser Welt, als mit Urteilen. Mit jedem Urteil trennst du den Himmel von der Hölle, das Licht vom Dunkel, das Bewusste vom Unbewussten und sperrst dich in deine eigene kleine und graue Welt. Was du denkst und aussprichst ist dir bewusst, das Gegenteil davon zieht dennoch im Verborgenen an deinen Fäden. So sei möglichst still, nimm alles wahr, fühle und erlebe … und eine neue Welt wird sich dir wieder auftun.

»Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Garten. Dort sollten wir uns begegnen.« – Rumi