Leben ist Leiden

Leben ist Leiden, das sagte schon der Buddha. Und wir leiden, weil wir [etwas Bestimmtes] begehren, so fügte er hinzu. Wer in die Fülle des Lebens eintauchen will, wer im Licht wandeln mag, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich auch der Dunkelheit zu stellen. Alles ist vergänglich, – wo etwas kommt, da muss etwas gehen; wo etwas geht, da wird etwas anderes erscheinen. Zum Mut oder zur Hoffnung gehört die Enttäuschung ebenso, wie die Erfüllung. Alles wirkt immer nur vor dem Hintergrund eines Gegenteils, alles braucht einen Kontrast. Entweder wir fühlen alles davon, oder wir fühlen gar nichts mehr. Wir können nicht das Licht begehren – all die schönen Dinge! – und gleichsam das Dunkle und Unerwünschte ausblenden. Das ist kein wahrer Frieden, das ist Ignoranz und Selbsttäuschung. Am Ende entziehen wir uns nur dem Ganzen und der Fülle damit, stumpfen vollständig ab, werden von der Angst regiert und leben im sicheren Kopf und machen dort Kino.

„Immer nur gut drauf sein“, das steht auf den Fahnen unserer Zeit – aber sie wehen im Wind der Ignoranz. Wer es versucht, der brennt aus und fällt am Ende doch in die Dunkelheit und Enttäuschung. Und wirklich tief erfahren hat er bis dahin nichts, außer Theater.

Wer ein erfülltes Leben will, der muss auch das Leiden „wollen“. Beides gehört untrennbar zusammen. Was also ist wahrer Frieden? Frieden ist der Frieden mit dem Unfrieden, – es ist der Frieden mit dem Licht und mit allen Schatten. Da ist kein Leben ohne den Tod, keine Geburt ohne Schmerz, da ist kein Mut ohne die Angst, keine Erfüllung ohne die Leere. Das ist der Tanz der Welt. Menschen, die nur im Licht tanzen, sind Traumtänzer. Wer Licht und Schatten annimmt und beides umarmt, der findet einen wahrhaftigen und tiefen Frieden, – in allem, das ist – in allem, das er tut. Und gerade darin gibt es für ihn nichts mehr wirklich zu gewinnen, aber auch nichts mehr zu verlieren, er kann sich ganz auf das Leben einlassen, sich hingeben, fallenlassen, vertrauen und alles zutiefst erfahren, – so, wie es eben ist!; ohne dass er sich daran verblendet oder darin zerbricht. Das ist wahrer Frieden. Wir haben hier nichts zu verlieren, jede Erfahrung im Leben ist ein Privileg, das nur dem Lebendigen vorenthalten ist. Und so eben auch das Leiden und das Scheitern. Erkennt der Mensch dies, so kann er auch über den Tellerrand der Welt hinausschauen und erfahren, was hinter all diesen Licht- und Schattenspielen steckt … nur er selbst. Aber das ist eine andere Geschichte . . . – jj.

Sicherheit ist nichts als die Feigheit vor dem wahren Leben … oder in den Worten von Bukowksi: »Man muss erst einige Male sterben um wirklich leben zu können.«