Was zur Hölle?

Was zur Hölle machen wir hier?!

Nichts, da war absolut nichts! – und dann, auf wundersamste Weise, kam diese Welt zur Welt. Über Milliarden von Jahren fügte sich alles exakt so, auf dass wir jetzt aus unseren Augen schauen können. Ein einziges Atom nur, das nach dem Urknall einen halben Millimeter weiter rechts geflogen wäre, und keiner von uns wäre heute hier. So viel Fügung!, doch nun meinen wir, das Schicksal und die Natur an die kurze Leine legen, kontrollieren und beherrschen zu müssen; es droht das große Nichts … dem wir aber doch entsprangen. Begreifen wir uns denn nicht mehr als ein Teil des großen und ganzen Wunders?

Das schier Unmögliche ist ohne unser zutun möglich geworden: wir sind jetzt da, einfach so! Aber nun haben wir es endgültig gefressen, dass hier alles einen Preis und seine Bedingungen hat, – dass wir uns dieses Leben und unsere Freiheit verdienen und erkämpfen müssen. Nichts ist mehr ohne Grund, nichts ohne Sinn und Erklärung, – das Tugendhafte, Natürliche und Bedingungslose ist verloren. Es erscheint uns nun völlig normal, jedes Wunder zu bewerten, zu vergleichen und in unsere beschränkten Gedanken einzusortieren, und am Ende noch uns selbst. Dann sehen wir die Welt gar nicht mehr wirklich, sondern hören nur noch ihr Echo im Kopf. Und alles wollen wir dort verstehen, – dabei verstehen wir uns selbst kaum mehr. Wir machen uns klein, um uns dann groß zu denken – wir vergessen, wer wir sind, damit wir jemand werden können. Aber niemals kann das gelingen. Das Unvorstellbare passt nicht in Vorstellungen, Stereotypen und Ideale, die uns in die Köpfe gepflanzt wurden. Wir verschwenden unsere kostbare Lebenszeit mit stupiden Beschäftigungen, endlosen Gedankengängen und überflüssigen Dingen; machen uns abhängig von den Bestätigungen, Meinungen und dem Wohlwollen anderer. Und immer meinen ein paar Affen mit goldenen Kronen, sie hätten den Durchblick und wüssten, wo es für uns lang geht, – seit tausenden Jahren meinen sie das und vererben ihre Sehschwäche an die nächste Generation.

13,8 Milliarden Jahre, jetzt sind wir hier! – aber wehe dem, der die Steuererklärung auch nur einen einzigen Tag zu spät einreicht. Es ist Schwachsinn, … diese ganze Welt, die wir aus der Welt gemacht haben. Und der einzige Grund, warum das möglich war, ist der, dass wir überhaupt nicht mehr begreifen, wer wir wirklich sind und was dieses Leben für ein Wunder ist. Die einen schlagen sich die Köpfe ein, die anderen schauen hilflos dabei zu. Fortschritt und Wachstum, darauf kommt es an, auch wenn die Hälfte der Menschheit dabei auf der Strecke bleibt. Der Reichtum der einen, ist die Armut der anderen. Geld, Geld, immer nur Geld, sogar fürs eigene Grab – für Zahlen auf Papier oder Computer-Nullen auf einem Bankkonto sollen wir unsere Lebenszeit und unsere Seelen verkaufen – wer das nicht kann, der hat eben Pech gehabt; wenn er Glück im Unglück hat, reicht es wenigstens mit der Rente für die Miete. Eine Hütte im Wald kann er sich auch nicht mehr bauen, wurden doch jeder Quadratmeter Land und jeder Baum bereits verschachert, – als würde hier überhaupt jemandem etwas gehören, wo er nur zu Gast auf dieser Welt ist und alles auf Lebenszeit geliehen bekam. Nur Parasiten besetzen, vereinnahmen und steuern ihren Wirt, – Harmonie und Symbiose sind etwas anderes. Aber das hinterfragen wir nicht, kennen wir ja nicht anders, und was bleibt uns auch anderes übrig.

Derweil träumen und fantasieren wir uns lieber in romantische Hyper-Realitäten, aber die Wirklichkeit, das Echte, das Authentische, das Unbezahlbare in jedem Augenblick, es findet überhaupt keinen Weg mehr an unseren Köpfen vorbei ins Herz. Nun braucht es großes Theater und inszeniertes Spektakel, – hat es keinen Preis, ist es nichts mehr wert. Wir predigen Menschenwürde, Moral und Gerechtigkeit, in hunderttausenden Paragraphen, aber keinen einzigen bräuchte es davon, würden wirklich Demut, Dankbarkeit, Mitgefühl und Nächstenliebe als universelle Gesetze des Herzens regieren. Was für eine Scheinheiligkeit! Aber was wir nicht mehr im Herzen tragen, das entdecken die Neurowissenschaften nun immerhin als Spiegelneuronen für Sympathie und Empathie im Hirn. Wir schnüren sogar das Fleisch der eingeferchten Kreaturen dieser Welt in ihre eigenen Gedärme und vermarkten es auch noch als himmlischen Wurst-Genuss. Und dann reden wir ersthaft von Respekt, Dankbarkeit und Demut, ernsthaft? Wenn wir dem Leben anderer Kreaturen schon so ignorant begegnen, wie begegnen wir uns denn dann erst selbst! Und nein, keiner kommt in irgendeine Hölle weil er Fleisch isst, weder Mensch noch Tier – aber er muss doch schon dort wohnen, dass er derart den Bezug zu allem Beseelten und Lebendigen verloren hat.

Hauptsache wir haben stets Ziele und Pläne, immer eine Karotte vor der Nase – neue Fragen, neue Antworten – neue höherkomplexe Probleme, neue höherkomplexe Lösungen, – sind immer beschäftigt oder wenigstens gut von unseren Flimmerkisten unterhalten; müsste man sonst doch die Augen öffnen und sich fragen, ob wir wirklich noch bei Verstand sind. Aber so träumen wir lieber weiter, von Weltenreisen, Traumjobs, Wundercremes, Seelenpartnern und Märchenhochzeiten, bis die Angst wieder dafür sorgt, dass wir keine Fragen stellen und alles dafür tun, damit wir wieder träumen können.

Nun haben wir es endgültig gefressen – normal ist eben das, was wir kennen. Wer in Ketten geboren wird, für den sind die Ketten das Maß aller Freiheit. Kennt er doch nichts anderes. Und noch diese Freiheit wird er beschränken, um sich sicherer zu fühlen und es sich bequemer zu machen. Und wissen wir doch seit Platon¹, dass wirkliche Freiheit auch Angst macht, – wer käme schon auf die Idee, seine Ketten zu sprengen und die Schattenwelt zu verlassen. Der Geist ist der Herrscher unserer Welt geworden, seine Gedankenwelt ist nur eine Welt der Schatten, – die Menschenseelen hängen wie Puppen an seinen Fäden und Ketten. Und wenn er sie denken lässt, dass sie im Licht erfüllt und frei sind, dann denken sie das auch. Und sie bringen es auch noch ihren Kindern bei. Damit sie es im Herzen vergessen und endlich fürs Leben lernen. Was kümmert den Geist schon ein Menschenleben, was kümmert ihn die Seele, – ihm ist alles nur ein „mehr oder weniger nützliches Ding“. Und für ihn ist jeder Kopf austauschbar – lernen doch ohnehin die jungen und neuen Köpfe noch viel mehr und noch viel schneller. Nur die Wahrheit, die findet sich in keinem Kopf …

Im Licht der Welt haben wir uns eine Scheinwelt konstruiert. Wir wurden unter einer von vierzig Trilliarden Sonnen geboren, aber wir leben doch nur hinter dem Mond. Als Nächstes retten wir also Natur und Klima, mit der gleichen künstlichen Logik, mit der wir alles Natürliche, Bedingungslose und damit „Heilige“ gegen die Wand gefahren haben – an erster Stelle unsere ureigene, wahrhaftige und „göttliche“ Natur. Ja dann, viel Erfolg uns!²

»Gott ist tot. Gott bleibt tot. Und wir haben ihn getötet.«, geiferte Friedrich Nietzsche³. Möge er besser nicht Recht behalten. Vielleicht aber stellen wir ja zur Abwechslung mal ganz grundlegend uns selbst und unsere „Existenz“ in Frage. Sind wir überhaupt noch echt … und sind die Höllen aller Religionen am Ende nicht vielleicht doch nur als Metapher zu verstehen? Doch den meisten ist all das egal und dieser Text nun ohnehin zu spirituell-irgendwas, zu negativ, zu pauschal und zu lang zum Lesen geraten… — jj.

»Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden. – Der Arme müht sich und lebt doch kärglich, und wenn er ausruht, wird er zum Bettler. – Hat er doch vergessen, dass er das königliche Kind eines lebendigen Gottes ist.« — Auszüge der Bibel (und nein, ich bin keine Christin.)

Quellen:
*¹ – Platon, Dialogs Politeía, „Höhlengleichnis“.
*² – Auszug aus J.J., „Finde dich selbst und du hast nichts mehr zu verlieren“.
*³ – Nietzsche, F., „Die fröhliche Wissenschaft“, Band No. 3.
*⁴ – Matthäus 7,13-14 – Sirach 31,4 – Römer 9,26.