Und so habe mich mit meinem Schmerz an einen Tisch gesetzt. Und wir begannen zu reden. Es dauerte nicht lange, da gesellten sich die Verbitterung dazu, die Hoffnungslosigkeit, die Angst, die Trauer, die Wut und der Hass. Ich habe zugehört, lange. Alle redeten durcheinander und trugen ihre Argumente vor. Augenhöhe sollte ich wahren, wurde mir nahegelegt, sie alle ernst nehmen und aussprechen lassen. Das habe ich getan. Dann schenkte ich uns allen etwas Wein nach, strich mir die Locken aus dem Gesicht und erhob die Stimme …
Ja, ihr alle habt recht! Zu leben bedeutet zu leiden; was lohnt es also, auch nur einen einzigen Schritt weiter zu wagen. Oder wie der große Philosoph Albert Camus dereinst sprach: „Das Leben hat keinen Sinn, die einzige wirkliche Frage der Philosophie muss also lauten: Warum bringen wir uns nicht alle gleich um?“ Wir scheinen nur in diese Welt geboren, um wieder zu verschwinden. Nichts bleibt, alles ist schon im Augenblick verloren, wo es errungen ist. Und wie oft sind wir schon gescheitert darin, all das zu verdrängen und zu vergessen. Alles um uns herum entsteht und vergeht, und wir tun so, als ob uns das selbst nicht betrifft. Die Realität aber klopft immer wieder an, – dann schauen wir in den Spiegel und zählen drei weitere graue Haare, wenn wir überhaupt noch welche haben! Recht habt ihr, es ist sinnlos, und das wollen wir so nicht, und darum leiden wir Menschen am Versuch es zu ändern. Aber recht zu haben ist Dummheit in einer Welt jenseits von richtig und falsch. Und wir sind Beileibe nicht allein mit diesem Problem! An Milliarden Tischen saßen schon Milliarden Menschen mit ihrer Hoffnungslosigkeit und schüttelten mit dem Kopf. So viel Leid, so viel Verzweiflung. Und über allem die große Frage: Wo nur ist Gott und warum lässt Gott das geschehen?
Ich habe genug gehört, meine treuen Gefährten im Geiste. Nun hört was ich Dank euch begriffen und zu euch zu sagen habe: Eure Natur ist Ignoranz und Dummheit! Ihr habt so vieles gesehen, und vor nichts habt ihr die Augen verschlossen, – ihr wisst so vieles, und doch habt ihr das absolut Wesentliche nicht erkannt. Nämlich, dass ihr noch immer nichts wisst, und dass keine eurer Wahrheiten die Wirklichkeit jemals greifen und begreifen kann. Ihr scheint so klug und überzeugend, doch von Weisheit fehlt jede Spur. Eure Gedankenwelt ist mir zu eng geworden. Und euch weiter ernst zu nehmen, bedeutet, weiter einem Puppentheater beizuwohnen, statt dem wirklichen Wunder des Seins. Alles braucht seine Zeit, auch das Begreifen, dass es irgendwann zu spät ist. Zu lange schon höre ich euch zu!
Diese Welt ist ein Wunder, und ganz gleich ob ihr meint die Geschichte dieser Welt über Milliarden von Jahren nachvollziehen zu können, und sie bis zu einem Wimpernschlag nach ihrer Geburt zu berechnen, – ihr Beginn selbst ist die Geburt eurer Logik und jedem Sinn. Ihre Geburt ist ein Wunder, weder sinnvoll, noch sinnlos, einfach nur ein Wunder. Und diese Wunderwelt wird in jedem Augenblick neu geboren. Und schaut euch diesen Körper an, dem ihr innewohnt, diesen Haufen an Materie, die in Millionen Sternen erbrütet wurde. Materie, die sich nun selbst verstehen will. Materie, die sich eine eigene Welt, eine Gedankenwelt erschaffen hat. Und diese Welt kennt keine Wunder mehr, außer die, welche sie sich selber mit romantischen und kitschigen Geschichten herbeiredet. So, wie die Geschichte eben, dass der Mensch aus Sternenstaub bestünde…. hach, wie süß! … nein, das Denken ist eben nur ein Denken und Träumen, aber noch lange kein Wundern! Das Vorstellbare ist eben nicht mehr das Unvorstellbare. Doch genau das ist die Natur eines Wunders. Eure Welt ist die der Vorstellungen und der Erinnerungen. Doch Zukunft oder Vergangenheit existieren nicht. Es ist immer nur Jetzt! Das Gestern war schon gestern verloren, und das Morgen bleibt auch morgen nur ein morgen. Meine wirkliche Welt kennt keinen anderen Ort, als den, an dem ich hier stehe, und sie kennt keinen anderen Zeitpunkt, als die Gegenwart. Und genau hier und jetzt, meine trüben Gedanken, da könnt ihr niemals verweilen! Alles was ihr seid, ist alles andere als ein Sein. Wo wäre die Sorge ohne das Morgen, wo wäre die Trauer ohne das Gestern? Ihr seid eine Welt, die ich nie wieder betreten will. Eine Illusion, das Sinnbild der Hölle. Und in eurer Welt ist kein Platz für etwas göttliches, kein Raum für ein wirkliches Wunder. Eure Gedankenwelt ist groß darin, große Spektakel zu Wundern zu erklären, dabei aber übersieht sie das Wunder, das dem Kleinsten innewohnt, jedem Grashalm, jedem Gedanken, jedem Augenblick. In der Tiefe jedes Augenblicks wohnt die Ewigkeit, ihr aber kratzt nur an der Oberfläche!
Hier und jetzt zu stehen … das ist alles und so viel mehr, als ihr euch vorstellen könnt! Ganz gleich ob diese Welt nun von Gott erschaffen oder sie ein Urknall ausspuckte. Das sind nur Vorstellungen und Gedanken, nichts davon ist wahr oder falsch. Dass alles so ist, wie es ist, das allein ist das Wunder! … denn eigentlich dürfte es gar nicht sein.
Und so geht es mir gut. Und das geht vorbei. Und dann geht es mir schlecht. Und auch das geht vorbei. Am Ende aber bleibt nur eins, nämlich Bewusstsein. Und dieses Bewusstsein umfängt und durchdringt auch euch, meine Gedanken, so wie es alles andere umfängt und durchdringt! Und dieses Bewusstsein, das ist unsere wahre Natur. Und nichts anderes bin ich, das darin entsteht und vergeht, auch nicht in Form von Gedanken. Wird dieser Leib auch verfallen und dieser Geist alles Erlebte vergessen und keine Zukunft mehr erblicken, was ich wirklich bin, bleibt davon unberührt. Ich weile in Gott und Gott weilt in mir. Eure Natur ist die Dummheit, eure Gedankenwelt ist einfach zu klein, – ganz gleich wie groß ihr sie aufblast. Nichts wisst ihr, und nichts seid ihr. Und so trinkt den Wein in Ruhe aus. Dann aber bitte ich euch ein für alle mal zu verschwinden. Ihr habt euch zu groß und diese Welt zu klein gedacht. Ihr seid ein einziges Defizit an Demut und Dankbarkeit und ein Übermaß an Begierde. Und nun trauert ihr um den Verlust der Liebe und des Lebens … dabei seid ihr allein für allen Mangel in eurer Welt verantwortlich.
– via Faccebook / Eine Kurzgeschichte im Mai