Der verborgene Gott

Nur ein paar Gedanken „jenseits von richtig und falsch“ unter dem Sternenhimmel soeben …

Unsere Identität, also unser „Ich“ geht im Schlaf verloren oder wird im Traum verzerrt, denn es handelt sich nur um eine mentale Projektion, um ein Selbstabbild, ein unwirkliches Konstrukt allein aus Bildern und Worten, – aus Gedanken also, an denen wir auch viel zu oft scheitern. Nach dem Erwachen am Morgen verfällt diese Projektion in einen Zustand der Ignoranz über die letzten „dunklen“ Stunden, um sich vom wahren Selbst, das diese Gedanken nur denkt und sich dessen bewusst ist, wieder zu trennen und als vermeintlich autonomes, doch rein geistiges „Objekt“ aufrechterhalten zu können. Ein neuer Tag, eine neue Runde im Ego-Karussell des Lebens als normaler, kleiner Mensch, der nichts Größeres, nichts Göttliches „in sich“ wähnt.

Gott, nur ein weiteres Wort, das mit allerlei absurden Projektionen und Bildern und viellerei anderen Worten, so wie Brahman, Allah, Nirvana, Wunder oder Akausalität assoziiert wird.

Doch all das ist unbegreiflich für das klügste Hirn, das so vielen Worten Bedeutung verleiht und in so vielen Bildern denkt, – alles das ist bedeutungslos, sofern das wahre Selbst nicht erfahren wurde. Und selbst wo es erfahren wurde, wird das projizierte, sehr beschränkte Ich bald wieder versuchen, diese unbeschreibliche Erfahrung zu kannibalisieren, sich damit weiter aufblähen und die reine Erfahrung seinen Urteilen¹ und Vorstellungen unterwerfen. Es reift erst an seinen Krisen und Ent-Täuschungen zur Einsicht hin, dass es Zeit ist, damit aufzuhören.

„Wer Gott aus tiefstem Herzen und mit allem Mut sucht, wird am Ende Gott finden. Nicht der, der an Gott glaubt.“, so mahnt selbst die Bibel. Dem Weg der Selbsterkenntnis muss letztlich die komplette Selbstaufgabe der Projektion und die komplette Hingabe ins Sein folgen², sonst unterliegt man weiterhin dem Verwirrspiel des Egos, das mit allen, wirklich allen Mitteln um sein Überleben kämpft, denn dieser Kampf ist alles was es ist. Die „Hölle“ muss erst durchquert werden, so wie von Dante in der Göttlichen Komödie.

Nein, dieses „Ich“ ist nicht wirklich, es erscheint nur wirklich, mit all seinen spektakulären Vorstellungen und Problemen, – es fesselt das Bewusstsein wie ein Feuerwerk am Himmel. Mehr nicht. Blitz und Knall und Schall und Rauch. Nichts als heiße Luft. Und all das darf sein, nur es sollte einem nie zu viel werden, auch am Ende des Lebens nicht.

Du sollst dir kein Bild von Gott und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel, auf Erden unten oder im Wasser machen, heißt es im zweiten Buch Mose, also sollst du dir auch kein Bild von DIR selbst machen. Nein, du kannst dir auch kein Bild von dem machen, in dem alle Welten und alle Wesen, aber auch alle Gefühle, Gedanken und Vorstellungen entstehen und vergehen. Es kann nicht mal einen Namen tragen … ES IST EINFACH WIE ES IST. Erkennst du dich, dann erkennst du mich und erfährst in allem Gott.

Und egal wie dumm diese Gedanken klingen, sie sind gewiss nicht dümmer als alle anderen. Es sind einfach ebenfalls nur Gedanken, – Abbilder, die das Unbeschreibliche nie zu greifen vermögen, so wie mein Finger, der nun auf den Mond zeigt, nie der Mond sein kann. Einfach nur Gedanken. Und solange wir allen Menschen freies Denken zugestehen. Und wir ihnen wirklich zuhören, ohne ihre Meinung teilen zu müssen. Werden sie auch uns zuhören. Und aus all dem Gedachten wird kein Handeln entstehen, das dem Leben eines anderen Menschen in die Quere kommt.

Deus absconditus (lateinisch, ‚der verborgene Gott‘)

 
Fußnoten:

(1) „Liebe ist die Abwesenheit aller Urteile.“ – Dalai Lama | „Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott – und Gott in ihm.“ – Bibel | Somit wäre Gott die Abwesenheit aller Urteile (Gedanken)

(2) „Die dunkle Nacht der Seele“ – siehe Johannes vom Kreuz und Meister Eckhart
 
Lesenswert dahingehend auch ein Artikel SPIEGEL Online über die neuste These von Cumrun Vafa, einem der führenden Stringtheoretiker dieser Welt. [hier ein alternativer Artikel] Wir stehen offensichtlich vorm Abschluss einer weiteren Runde in der Spirale des Wissens. Wir wissen nichts, als das, woran wir glauben wollen und das sich bewährt. Und doch hat keine Wahrheit etwas mit der Wirklichkeit der Dinge a priori zu tun, auch diese Gedanken hier nicht. Denken ist einfach nur Denken, ein Netz der Symbole, ein mehr oder weniger kreatives Hirngespinnst um das Unbegreifliche herum. Wir haben einfach mehr Zeit heute, um zu denken, wir rechnen uns einfach nur alles komplizierter, als vielleicht ein Sufi vor 800 Jahren. „Unser Weltbild heute sei zweifelsfrei das best-richtige“ …. und es ist eben nur ein Bild. Wir sind bilder-gläubiger geworden, als jeder Christ im Mittelalter, (bildungs)fanatischer als die Inquisition. Doch bewährt es sich wirklich, alles Unbegreifliche komplett auzuklammern, allem voran das, das jeden Verstand übersteigt: das Wunder, dass wir jetzt hier sind und alles einfach ist, wie es ist? Bisweilen sollten wir einfach alles gut sein lassen, wie es ist, und darin einfach nur sein und es wieder vollumfänglich erfahren.