Bin heute auf den Spuren meiner Kindheit gewandelt. War in Neunzehnhain an der Talsperre, wo ich früher so gern bei meinen Großeltern die Ferien verbracht habe. Opas alter Angelschuppen steht sogar noch und duftet nach feuchtem Holz, genauso wie damals – verlorene Erinnerungen, die noch immer im Schuppen herumkreisen, die jetzt durch die Nase wieder ins Bewusstsein empor steigen und in ihrer Gegenwart meiner Vergangeheit neues Leben einhauchen. Das Wasser der Talsperre liegt noch so klar an der Staumauer, wie einst beim Angeln meiner ersten Regenbogenforelle. Nur das Holzboot ist nicht mehr da. Das satte Grün der Baumkronen schwängert an allen Rändern der Sperre den Wasserspiegel mit grüner Klarheit und Ruhe … daneben schlagen die Heidelbeerbüsche wild aus. Ich strecke die Zunge heraus, um zu schauen, ob sie nicht doch auch nach 30 Jahren noch immer blau verfärbt ist. In Gedanken rufe ich auch jetzt Oma hinterher, dass ich wirklich alle Beeren in den Eimer tue, mir keine in den Mund stecke und einfach nur nicht so schnell sammeln kann wie sie … weil, logisch!, ich ja auch viel kleinere Hände habe. Außerdem habe ich ohnehin noch immer mit Oma die Wette laufen, dass hinter der mächtigen Kiefer am steilen Hang bestimmt ein riesiger Steinpilz steht. Auch heute, unfassbare 30 Jahre später und Anfang Juni – wo eigentlich noch keine Steinpilze wachsen – wartet der sicher immer noch darauf, dass wir einfach hochklettern und ihn endlich mal mitnehmen.
Eigentlich ist alles wie immer und doch, ist es ganz anders ohne die Beiden, die nicht mehr dort leben. Alles ist vergänglich, aber solange wir sind, dürfen wir auch entscheiden, an welchen Erinnerungen wir da eigentlich festhalten wollen. Wenn wir das vergessen, vergessen wir uns selbst und verlieren uns im diffusen Nebel einer Welt, die nie die unsere war.