So, hier bin ich wieder. Zumindest der Teil von mir, der wirklich an Land angekommen ist. Seit drei Tagen versuche ich einen Blogeintrag fertigzustellen – es gelingt nicht recht. Die ersten Emotionen habe ich abheften und einsortieren können. Meist unter „A“ wie „absolut absurd“ oder „V“ wie „völlig verrückt“. Emotionen und Gefühle, die sich meist wie große Wellen aus meinen schwachen Beinen in den Oberkörper wuchten, meinen Schwerpunkt verändern und sich darin versuchen mich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mal wieder. Fühle mich wie ein Wassersack auf einem Sackkarren … auf furioser Bergabfahrt. Doch noch landkrank. Mein Körper versucht nach wie vor das heftige Rollen und Stampfen eines Bootes ausgleichen – eines Bootes das längst sicher vor dem Hotelzimmer im Hafen liegt. Ich habe Schwierigkeiten mit dem hohen Tempo an Land mitzuhalten und mich dem Rhythmus der Selbstverständlichkeiten unterzuordnen. Fühle mich nicht wirklich sicher außerhalb meiner Nussschale. Benötige mehr Zeit. Würde in vielen Momenten lieber gern zurück in meinen Schlafsack an Bord krabbeln, die Luke schließen und mich auch in schwerer See in einer vertrauten Welt in Sicherheit wiegen. Geht aber nicht, kann nicht einfach sofort wieder reinspringen und mich davonschleichen.
Nein, es ist nicht alles erledigt und abgehakt. Es ist nicht einfach vorbei und ich bin nicht einfach nur erleichtert, angekommen und wiege mich nun in Sicherheit. Oft fehlt mir einfach dieser grausam beeindruckende Ozean, der mich eben auch oft genug mit seinen gigantischen Wellen voran peitschte und mich anbrüllte – der mir immer deutlich zu verstehen gab, wie wenig ihn meine Unsicherheiten und Bedenken kümmern würden. Friss oder stirb – egal was serviert wird. Doch jetzt, hier an Land, hmmm, weiß nicht, so viele bunte Brotkrummen zwischen den ich entscheiden muss. Und wenn ich mir endlich einen ausgesucht habe, ihn mit meinem Blick fixiere und mich darauf herabstürze um ihn aufzupicken, dann betrügen mich alle meine Sinne, die nach wie vor auf einen Ozean geeicht sind – ich verkenne plötzlich Distanz und Position, mir wird schwindelig und schwarz vor Augen und ich schlage neben ihm auf dem Boden auf und bohre mich in die Erde. Die Folge ist: Ich packe mich vorerst lieber in eine dicke Seifenblase, kapsle mich ab. Ich schwebe mit meiner Nase den Kolibris auf Barbados hinterher, tauche ein in ausladenden Blütenkelchen und berausche mich am Geruch, den die gewaltigen Farbexplosionen der Blütenblätter in die Welt schleudern. Ich bin in einer anderen Welt zuhause. In einer ganz anderen. Noch hat der weiße Sand der Küste, der zwischen meinen Fingern zerrinnt, es nicht vermocht auch nur eine einzige Erinnerung an die letzten drei Monate hinfortzureißen. Noch ist der Ozean auch hinter dem Horizont klar für mich sichtbar und beginnt sich nicht im Nebel des Vergessens aufzulösen. Keine Eile also all die Erinnerungen zu verarbeiten. In welcher Form auch immer. Dann dauert es eben etwas länger. Ich lasse es langsam angehen, laufe die schroffe Ostküste entlang, starre gebannt in die heftige Brandung. Klettere mit schwachen Beinen auf alte verlassene Leuchttürme fernab aller Touristenrouten und finde mich Stück für Stück, Stufe für Stufe wieder selbst. Ich puzzle mich zusammen.
Inzwischen habe ich auch meine Email Akkounts reaktiviert. Tausende Emails der letzten drei Monate fluten mein Bewusstsein. ÜBERfluten mein Bewusstsein. Ich kann damit noch nicht umgehen – lese natürlich stolz all die Glückwünsche, bin überwältigt vom Medienecho und vor allem sprachlos ob der unglaublichen Anzahl an Menschen, die als Folge nun offensichtlich diesen Blog hier wirklich lesen und mir schreiben. Tausende jeden Tag. Einfach unfassbar! Mein Kopf bekommt das noch nicht geregelt. Das ist einfach im Moment zu viel. Unabhängig von der schlechten Internetverbindung ist es mir unmöglich, all die direkten Anfragen zu beantworten – schaff‘ ich einfach nicht. Hoffe niemand ist enttäuscht oder gar verärgert, wo es im Moment einfach etwas länger mit einer Antwort braucht. Ich tue mein Mögliches, fürchte aber, dass fast alle Mails noch bis zu meiner Rückkehr nach Deutschland unbeantwortet bleiben. So viele Zeilen möchte ich gern schreiben, so viele Menschen anrufen und besuchen – mich vor allem endlich mal persönlich bedanken. Geht aber nicht, bin nicht in der Lage dazu … so schwer es mir fällt das zuzugeben. Weiß einfach nicht wo ich anfangen soll und wie ich alle die Gedanken in die Tastatur hämmern soll.
Also, wie geht es nun konkret weiter? Im Moment räumen wir das Boot aus und säubern es. Alles ist kontaminiert mit Salzwasser und sollte gründlich gereinigt und getrocknet werden, bevor es wochenlang im Container verschwindet. Am kommenden Montag kehre ich für einige wenige Stunden zurück auf diesen Ozean. Das Boot wird dann über das Wasser, vom Hafen, die ganze Westküste entlang, nach Bridgetown gezogen und dort gekrant und verladen. Danach speichere ich noch die letzten Sonnenuntergänge im Kopf ab, dann packe ich die Koffer und fliege am Mittwoch Nacht zurück nach Hause. Was mich dort erwartet? Ich muss einräumen: Im Moment fürchte ich mich davor ein wenig. Etwas zu viel Trubel für mich. Würde mich am liebsten erstmal wieder wegschliessen von der Welt. Bin daher auch froh hier vorerst in Barbados in der Stille abtauchen zu können. Ich überspringe also vorerst einmal das nächste Kapital, erwische mich sogar dabei, wie ich bereits das übernächste plane. Nun denn …
Anmerkung: Aktuelle Bilder gibt es im Moment nur auf Facebook. Ich versuche noch zeitnah diese irgendwie auf die Webseite zu bekommen.