Also gut, einer noch! Ein allerletzter Eintrag, bevor ich mich endgültig unter Myriarden von Sandkörnern am Strand von Barbados vergrabe – oder noch wenigstens meine Füße in einer gigantischen Sandburg festzementiere, auf dass sie vorerst keine weiteren Abenteuerwege beschreiten können. Auf dass sie vorerst erst eimal zur Ruhe und Erholung verdammt werden. Ein letzter Blogeintrag vom Boot – für Euch, für das Meer, für meine Begleiter. Ein letztes Mal lass‘ ich hier den Sand der Zeit durch meine Finger rinnen, setze kleine Sandhäufchen auf meine Tastatur und beginne mit der Arbeit: Modelliere daraus kleine Luftschlösser für alle Abenteurer und Träumer dieser Welt. Und obgleich erst gestern ein mürrischer Zeitgenosse per Email mahnte und schrieb: mein letzter Eintrag wäre nur ganz knapp an „der Irrenanstalt vorbeigegangen“ – ich tue es wieder, kümmere mich nicht die Bohne um meine Metaphern und nehme, wenn’s denn sein muss, sogar am Ende noch die Schaufel und schlage alle Skulpturen wieder kaputt… auf das sich Neues daraus bauen lässt am folgenden Tag. Also… wer ist dabei?!
Es scheint fast, als hätt‘ ich so aus Versehen und/oder in voller Absicht den Treibanker ausgeworfen, als würde ich mit meinen Popeye-Ruder-Waden voll aufs Bremspedal latschen. Das ist keine optische Täuschung in der singenden, sengenden Hitze des Atlantiks, nein, ich verzögere den Höhepunkt! Und das auch gleich mal um ganze 24 Stunden! Geschätze Ankunft auf der Ziellinie jetzt erst nach genau 90 Tagen, also am Dienstag Morgen. Nichts mehr mit Montag!
Tatsache ist: Der Wind mag mich nicht gehen lassen. Er klammert. „Bleib, bleib, bleib Janice!“, ruft er. „Es kümmert mich nicht mehr, was ich dem Wetterbericht versprochen und gelobt habe zu tun.“, „DU BLEIBST HIER!“ Naja, so ganz grob und in etwa hört es sich jedenfalls an 🙂 Und um die Eindringlichkeit der Ausweglosigkeit der Abhängigkeit zu untermauern, wirft er tatsächlich alle Wetterprognosen über den Sandhaufen und drückt mich gegen die Schiffbruch-Küste der Insel. Auf das ich daran zerschelle wenn ich nicht augenblicklich mit dem (weg)rudern aufhöre. Auf ewig wären wir vereint, ich als Welle den Erdball umkreisend … das ist sein Plan dünkt mir. ABER NICHT MIT MIR! Ich rudere, ich stemme mich dagegen, Meter um Meter gewinne ich wieder an Distanz in den Norden. Dieser Kampf verschlingt allerdings die meisten meiner Ressourcen, und somit komme ich nicht mehr so schnell voran wie geplant. Würde ich weiterrudern wie bisher, immer damit beschäftigt nicht zu schnell von Wind und Strömung nach Süden getrieben zu werden, würde ich nun inmitten einer mondlosen Nacht auf der Zielgeraden (13°20.700N, 59°36.900W) ankommen. Wenige Meter bis zum nächsten Riff – unmöglich es zu erkennen in der Dunkelheit. Sicher könnte ich die schweren Brecher hören, was wenig helfen würde. Nein, das Risiko ist mir hoch. Viel zu hoch. Also dann doch lieber ein wenig bummeln und etwas länger zappeln. Muss ich wenigstens auch Nachts nicht ununterbrochen draußen bleiben wenn der Kurs mal steht. Fast 40 Fliegende Fische schlagen im Moment in den Stunden der Nacht ein, bombadieren mich und mein Boot. Ihr kennt mein Trauma…
Könnte aber schlimmer kommen. Das Wetter ist, abgesehen von den Windrichtungen und Windstärken, eigentlich traumhaft. Ich befinde mich am Nabel das Lebens, wohin ich auch schaue: schwarze Vögel, silberfarbene Fischeschwärme, pinke Seeblasen, gelbe Algen … blaue See und weißer Schaum – der Ozean hat die bunten Prachtkleider ausgepackt. Ich würde gern an meinem Hai-Trauma arbeiten -ihr wisst ja noch, der Wal der mich geküsst hat, und ich dachte nur noch ein Hai frisst mich- würde gern wieder baden gehen, aber der Ozean lässt mich nicht. Seit Tagen treiben Portugisische Galeeren mit ihren meterlangen Tentakeln im Wasser, und wo sie mal für ein Stündchen nicht zu sehen sind, nehmen große Barrakudas ihren Platz ein. Es lässt sich aushalten … gieße mir alle 30 Minuten einen Eimer Wasser über den Kopf und einen weiteren übers Deck, damit ich mir die Füße nicht verbrenne. Ich genieße die Unterhaltungsdichte, merke aber doch, dass ich innerlich ziemlich angespannt bin. Sehr wenig
Schlaf, dauernd erwische ich mich am großen Simrad Karten-Plotter, rechne und zeichne und hoffe dass der Kurs steht. Ich denke zwei Tage halte ich noch durch, aber um ehrlich zu sein: die Nähe zur Küste ist in so einem Boot ein Garant für reichlich Stress. Vorsichtig ausgedrückt.
Nun denn, noch 48 Stunden. Habt ihr noch genügend Daumen übrig?