Auch Haie mögen kuscheln!

Ach, dachte sich der Ozean: Die gute Janice ist so auf Wale eingeschossen, ich glaube sie braucht mal etwas Abwechslung. 3:00 UTC heute Morgen werde ich aus dem Schlaf gerissen. Mein Ruder schlägt laut. Sehr laut! Ich öffne die hintere Luke, sehe im Mondlicht nur noch, wie etwas abtaucht. Okkkkayyyyy. Der Vorfall wird bei meinem Glück zur Zeit sicher noch an Dimension zunehmen, dachte ich. Und schon hörte ich das altbekannte Reibgeräusch am Rumpf, Backbord. Nicht nur so ein vorsichtiges Schrubben wie beim letzten Mal. Oh je … was ist nun wieder los. Die See war absolut ruhig – die Ruhe vor dem Sturm. Ein weiteres Gewitter lag vor mir wie ich später feststellen sollte. Plötzlich rollt das Boot! Reiben, Rollen, Reiben, Rollen. Das muss ein großer Hai sein. Ich öffnete die vordere Luke, stieg natürlich erstmal nicht aus. Taschenlampe raus, jap! ein Hai. Ich sah ihn Mittschiffs, er schlug dennoch gegen mein Ruder. Also mindestens 3.6m lang. Sicher etwas mehr.

Mit einem Puls von 200, startete ich die Tonaufnahme unter Wasser. Sehr laut! Ich stieg ein ins Konfliktmanagment mit dem Versuch einer vernünftigen Unterhaltung. Bat ihn darum mein Ruder schleunigst in Ruhe zu lassen. Nichts passierte. Er rieb mir weiter die Muscheln vom Rumpf. Ich wurde lauter. Nichts. Decksflutlicht an: Nix. Ok, dann die harte Tour: Ich schaltete alle vier Lautsprecher an, volle Lautstärke: „out of our minds, von Melisssa Auf der Maur“ ertönte. Aber auch das schien ihm eher zu gefallen Mist! Ich montierte ein 240 Lumen Strobelight am Kamerastativ und tauchte es neben ihm ins Wasser. Weg war er!

Ja, super Nacht wieder. Doch noch war sie längst nicht vorbei. Als ich gegen 7:00UTC (5:00LT) erneut aufwachte, zähneknirschend, schlecht träumend, da rollte das Boot wieder -heftig- und wieder rieb etwas am Rumpf und schlug dagegen. Nicht so laut wie vorher. Es klang viel mehr nach einem Hai mit etwas zarterer Haut. Ich hatte Probleme aufzustehen bei der Bootsbewegung. Ich öffnete die Luke. Kreuzsee. Mal wieder. Richtig rau, Gewitter direkt vor mir. Das gibt es doch nicht! Ich traute mich nicht raus. Wusste nicht was unterm Rumpf wirklich los ist. Kann ja auch ein Wal sein, und das Boot kentern. Bei dem Seegang … nicht sehr wahrscheinlich, aber mit genug Schrecken im Kopf klingt alles plausibel!

Ich legte mich wieder hin. Fühlte mich hundeelend. Mir wurde extrem schlecht. Bauchschmerzen. Mental war ich völlig ausgeklinkt. Das war einfach zu viel alles. Erst der Wal, dann der Hai und jetzt schon wieder Besuch. Weiß nicht. Lag da, übergab mich, starte an die Luke. Lies den Hai -es war sicher einer- gewähren. Ich wartete nur noch auf den Sonnenaufgang. Etwa 1 Stunde später wurde es hell … naja, hell genug mit einem Gewitter vor der Nase.

Die letzten drei Tagen waren wirklich taff. Das schlucke ich nicht mehr einfach so runter. Bin etwas angeschlagen, auch mächtig frustriert wegen dem Strömungswirbel, dem Wind, wegen dem großen Umweg, den dauernden Gewittern. Habe mindestens drei Tage verloren. Nach wie vor hängt mir die Begegnung mit dem Wal nach. Ich benötige eine Pause!

Der Wechsel zwischen unbeschreiblicher Glückseligkeit und Sorge scheint hier arg beschleunigt. Staunt man am Abend noch darüber, dass die Sterne, das Venus dieses Unglaubliche Firmament als Lichtpfade auf das Wasser zeichnen, so liegt man wenige Stunden später flach unterm Kabinendach und ist mental im Ausnahmezustand. In unzähligen Variationen und Schärfegraden wird genau dieses Gericht hier täglich serviert. Entweder man frisst es, oder man verhungert im Kopf. Hardcore.

Ich mag Haie. Bin fasziniert von ihrer Eleganz, ihrer Anpassung, ihrem Sozialverfahlten. Finde es grausam wo sie zu Hunderttausenden als Beifang qualvoll verenden. Aber ich habe auch gehörig Respekt vor ihnen in meinem kleinen Boot. Immer im Hinterkopf das mein Boot kentern könnte und ich ins Wasser muss. Naja … durchatmen. Ich muss weiter.